Jugoslawien, Griechenland und Türkei
1.8. - 2.10.1970

Teil 5

Schlechte Nachrichten: Die Fähren über die Dardanellen streiken! Lange hier warten können und wollen wir nicht. Als Alternative müssten wir den 620 Km langen Umweg über Istanbul nach Kesan in Kauf nehmen!

Es verkehrt aber eine Behelfsfähre. Ein schmaler und niedriger Holzkahn, auf den gerade zwei Fahrzeuge passen, und rechts und links bleibt noch ein Meter.

Na gut, raufgefahren mit Gottvertrauen, und ab geht die Reise!      (Karte)
 

  "Über die Dardanellen auf
      einer Behelfsfähre"


Behelfsfähre über die Dardanellen. Oh weh!

Es herrscht eine starke Strömung, und das Wasser ist unruhig und quibbelig, der morsche Kahn schwankt bedenklich. Wir sind heilfroh, als wir wieder festen Boden unter den Füssen haben, und das Auto sicher an Land steht.

 
         Vergleiche mit einer Nussschale sind angebracht                           Ankunft en Eceabat, Allah sei Dank!

Nun sind wir also auf der Halbinsel Gelibolu. Auf der Fahrt nach Kesan, in einer flachen Landschaft mit Stoppelfeldern, vollenden wir den 10.000ten Kilometer unserer Reise. Wir öffnen ein Fläschlein Schaumwein Marke "Mizkat", trinken einen Schluck auf dieses Jubiläum, und Meister "tauft" sogar unser Auto mit dem edlen Nass.  (Karte)

 
            Jubiläumsfeier auf der Halbinsel Gelibulo                                               Meister tauft unser Auto

Von Kesan aus fahren wir weiter nach Edirne, und hier passieren wir die Grenze nach Bulgarien. Mit dem Auto müssen wir durch ein Reifendesinfektionsbad fahren, wegen der Cholera in der Türkei. Dann gehen die Zöllner auf Rauschgiftsuche, klopfen dabei auch unser Reserverad ab. Ziemlich grimmige Burschen, so dass wir uns lieber ein paar spassige Bemerkungen verkneifen.

Wir fahren noch bis in die Nähe der Stadt Plovdiv, denn hier gibt es einen einfachen Campingplatz. Vor dem Schlafen suchen wir noch eine ziemlich triste ländliche Kneipe auf. Ich hätte nicht geglaubt, dass es sowas gibt, aber hier hat der Wirt tatsächlich eine Waage vor sich stehen, und der Wodka wird 100-Gramm-weise verkauft. So haben wir bald die nötige Bettschwere.  (Karte)

Von Plovdiv bis in die Hauptstadt Sofia sind es rund 155 Km. Wir sind überrascht, wie wenig Autos in Sofias Strassen unterwegs sind. Wenn man da an Athen oder Istanbul denkt...

Wir stellen unseren Wagen ab, und bummeln ein wenig durchs Zentrum, an der gelb gepflasterten, breiten Hauptstrasse entlang. Am Dimitrov-Mausoleum werden wir Zeuge der Wachablösung.   (Karte)


Sofia: Haus des Ministerrates und Parteigebäude

 
                    Mausoleum des Georgi Dimitrov                                          Wir kommen gerade recht zur Wachablösung


     Die Alexander-Nevski-Kathedrale erinnert an das                   Ende der Türkenherrschaft 1878

Wir empfinden eine bedrückende Stimmung hier in Sofias Strassen. Vereinzelt sprechen uns Männer verstohlen aus Hauseingängen an, bitten um deutsche Zeitungen und Zeitschriften, wie etwa den Spiegel. Leider haben wir nichts dergleichen dabei.

Wir gehen zur Alexander-Nevski-Kathedrale, auch hier ist alles pieksauber, aber man hört kaum einen Laut. Alles ist gedämpft, bedrückt, unterdrückt...

Von Sofia bis zur jugoslawischen Grenze sind es dann gerade mal 50 Km. Die Einreise ist problemlos, und dann folgen wir der Strasse nach Nis, wo wir im Auto eine unbequeme Nacht verbringen.  (Karte)

 
        Wir übernachten auf einem Parkplatz im Auto                        Sluchs Schürfwunden aus Rhodos verheilen gut 

Am frühen Nachmittag erreichen wir Belgrad. Wir besichtigen die Festung oberhalb der Mündung der Save in die Donau, und um auch einen kleinen Eindruck von der Stadt zu bekommen, fahren wir ins Zentrum, und schauen uns dort ein wenig um.

Hier gibt es ein reges Leben und Strassencafés, ganz anders als in dem tristen Bulgarien.  (Karte)


Blick auf die Belgrader Burg und die Donau


           "Tricky Dicky" Nixon war hier zu Besuch

Auf der weiteren Fahrt, aus der Stadt hinaus in Richtung Flughafen, ist die Strasse zu beiden Seiten mit jugoslawischen und amerikanischen Flaggen geschmückt, und das Konterfei des amerikanischen Präsidenten Nixon grinst uns dutzendfach entgegen.

Der war hier vor ein paar Tagen zu Staatsbesuch.

Auf dem Autoput geht es weiter nach Zagreb, und bei Maribor beenden wir den langen Tag, und es folgt eine weitere unbequeme Nacht im Auto.  (Karte)

Ziemlich zerknittert überqueren wir die Grenze nach Österreich. Wir haben kaum noch Österreichische Schillinge, so fahren wir in Graz zum Geldwechseln zum Bahnhof, und dort entnehme ich den Zeitungsschlagzeilen, dass Ägyptens Präsident Nasser am 28.9. gestorben ist.

Über Bruck, Leoben und Radstadt geht die Fahrt weiter durch österreichische Landen.

Lustig finden wir die Frage eines älteren einheimischen Gastes beim Mittagessen am Nebentisch: "San’s die Herr’n aus dem Reich...?"


Wir sind in österreichischen Landen

Über Salzburg geht es zur deutschen Grenze, die wir mit etwas Aufenthalt aber problemlos überqueren. Wir fahren heute noch bis München, einerseits in der Hoffnung, wenigstens jetzt unseren Bekannten anzutreffen, um bei ihm übernachten zu können, andererseits lockt das Oktoberfest!

Also, das Oktoberfest haben wir aufgesucht, und auch haben wir dort ein paar Mass gestemmt, aber unser Freund war wieder nicht zu Hause, und wie schon auf der Hinreise mussten wir im Auto pennen.


Wiesbaden, Mainzer Strasse. Die letzten Meter der Reise
                                                 

Der Rest ist Routine. Von München aus fahren wir auf der Autobahn über Nürnberg und Würzburg nach Wiesbaden, es regnet unterwegs in Strömen, auch noch bei unserer Ankunft, wenn auch nicht mehr so stark.

Die sonnigen Tage sind nun erst einmal vorüber!  (Karte)