Jugoslawien, Griechenland und Türkei
1.8. - 2.10.1970

Teil 4

Bevor wir uns nun nach Westen in Richtung Antalya wenden, machen wir noch einen Abstecher zu den Ruinen der antiken Hafenstadt Aspendos. Besonders sehenswert ist hier das ausgezeichnet erhaltene Theater, welches wir im Licht der Abendsonne erkunden.

      
         Sehr gut erhalten ist das Theater von Aspendos                                         Meister übt imperiale Posen

Dann legen wir noch die restlichen 40 Km bis Antalya zurück, und logieren dort im Hotel "Yayla Palas".   (Karte)

Bevor wir am nächsten Morgen aufbrechen, lassen wir uns den landesüblichen leckeren Çay (Tee) aufs Zimmer servieren.

 
               Tee und Kippen, Jean beim "Frühstück"                                       Unser Auto vor dem "Yayla Palas"

Die heutige Etappe führt uns von Antalya aus, am Burdur-See vorbei, nach Denizli, bzw. zu den 3 Km vor der Stadt liegenden Kalksinterterrassen von Pamukkale.   (Karte)

Unbestritten einer der landschaftlichen Höhepunkte der westlichen Türkei.


Pamukkale, eines der grössten Naturwunder der Türkei


Eine warme, kalkhaltige Quelle und eine Laune der Natur haben hier durch Ablagerungen zahlreiche Kalkterrassen und Wasserbecken gebildet, die bereits im Altertum sowohl von Griechen als auch Römern geschätzt und weithin gerühmt wurden.

 
               Pamukkale bedeutes "Baumwollschloss" , die alten Griechen bauten hier ihre Stadt Hierapolis

Nach der Besichtigung wollen wir nach Marmaris fahren, um von dort einen kleinen Abstecher auf die Insel Rhodos zu unternehmen. Ab Denizli soll es, laut Karte, eine direkte Route durch die Berge geben, über Kale und Mugla. Das reizt uns. Die Strecke ist kürzer als die Hauptstrasse über Aydin, und wegen der grösseren Einsamkeit wahrscheinlich auch interessanter. Also auf geht’s!

 
                        Steile Steigungen, Staub und Hitze sind manchmal etwas zuviel für unsere 40 PS 

Die Strasse wird bald zur Schotterpiste, und der Escort hat ganz schön zu schnaufen. An einer langen staubigen Steigung wird evident, dass unsere 40 PS angesichts der Zuladung und der schlechten Wegverhältnisse an ihre Grenzen stossen, der Kühler kocht.   (Karte)

   "Irrfahrt im westlichen Taurus"

 
             Wo genau sind wir? Ratlosigkeit macht sich breit, und Bauern am Wegesrand können auch nicht helfen

Nach einer Abkühlpause geht die Fahrt weiter durch die wirklich einsame Bergwelt. Es gibt absolut keine Wegweiser, keine Menschenseele ist unterwegs, und langsam kommen uns Zweifel, ob wir hier überhaupt noch richtig sind. Endlich sehen wir ein paar Bauern auf einem Feld, die wir fragen können. Jean kratzt seine paar Worte türkisch zusammen, aber die Leute können uns auch keine zuverlässige Auskunft geben. Die haben noch nie eine Landkarte gesehen.   (Karte)

Es ist bereits später Nachmittag, und wir haben keine Ahnung, wo wir sind, und bis Marmaris kommen wir heute auf keinen Fall mehr. Uns bleibt nichts anderes übrig als umzukehren, wenn wir nicht weiter in den Bergen herumirren wollen. Wir beschliessen also, den Weg, den wir gekommen sind, wieder zurückzufahren, zurück nach Denizli. Das gelingt uns denn auch, und im billigen "Kervan Oteli" finden wir Unterkunft für die Nacht.

Ohne weitere Experimente fahren wir dann am nächsten Morgen brav auf der Hauptstrasse zunächst nach Aydin, und dann über Mugla weiter in Richtung Marmaris.  (Karte)

Auf dem kurvenreichen Weg hinunter in die Küstenebene kommen uns drei Lastkamele entgegen, und gleich darauf sogar eine malerische Karawane von sechs Kamelen, begleitet von ihren Führern, die auf Eseln reiten. Das sieht man auch nicht mehr allzu oft.

Und dann treffen wir in dem verschlafenen Küstenort Marmaris ein.
                         
(Karte)


Lastkamele auf dem Weg nach Marmaris


              Marmaris, ein hübscher ruhiger Ort

Da wir nun von hier zur griechischen Insel Rhodos übersetzen wollen, suchen wir gleich die Zoll- und Polizeistation auf.

Wir bekommen die entsprechenden Ausreisestempel in die Pässe, dann packen wir unsere Taschen, und schliessen das Auto gut ab.

Das lassen wir nämlich hier stehen.

Die Überfahrt nach Rhodos dauert nur zweieinhalb Stunden. Erst mal brauchen wir eine billige Unterkunft, und die finden wir in Form einer Pension in einem der schmalen Altstadtgässchen.

Unser Zimmer liegt recht romantisch direkt über einem Torbogen über der Gasse, aber letzten Endes ist es nicht besser als die türkischen Wanzenställe, die wir bisher aufgesucht haben. Na ja, für zwei Nächte wird’s gehen.


Für zwei Tage sind wir wieder in Griechenland

 
                    Unsere Pension liegt in der Altstadt, und das Zimmer befindet sich direkt über dem Torbogen

Wir beginnen unseren Rundgang durch Rhodos am Mandraki-Hafen, wo seit dem 15. Jahrhundert die berühmten Windmühlen stehen. Dann gehen wir hinüber zum Park des Grossmeisterpalastes, und besichtigen auch die beeindruckende Anlage des Palastes. Schön ist auch der Ausblick von hier oben auf die Stadt und den Hafen.

 
        Rhodos blickt auf eine lange Geschichte zurück                     Windmühlen aus dem 15. Jh. am Mandraki-Hafen

Direkt zurück ins Mittelalter versetzt uns ein Bummel durch die Ritterstrasse "Ippoton", doch in der Sokratesstrasse (Ódos Sokrátous), mit ihren vielen Geschäften und Läden hat uns die Gegenwart schnell wieder eingeholt.

 
          Der Grossmeisterpalast überragt die Altstadt                                         Odos Ippoton, die Ritterstrasse

Um auch etwas vom Rest der Insel zu sehen, mieten wir ein Moped und eine Vespa. Ich bin der Einzige von uns mit Führerschein, ich darf also die Vespa fahren. Meister wird mein Beifahrer, und Sluch bekommt das führerscheinfreie Moped, mit Jean als Beifahrer. Der Witz ist nur, dass das Moped viel schneller und spritziger ist als meine Vespa! Unser Ziel ist der 55 Km entfernte Ort Lindos, mit einer antiken Akropolis.  (Karte)

 
                                                    Ein Hauch von Easy Rider auf dem Weg nach Lindos

 

Die folgende Fahrt ist einfach herrlich! Wir albern herum, überholen uns gegenseitig, und machen kleine Wettrennen, es macht einfach eine Superlaune! Kneipen am Wegesrand sorgen für die nötigen Erfrischungen.


 

   "Eine Vespa-Fahrt auf der Insel Rhodos"
 

So gelangen wir auf dieser landschaftlich schönen Strecke nach Lindos. Hier herrscht einiger Rummel.

Wir stellen die Mopeds unten auf einem Parkplatz ab, und kraxeln dann hinauf zum Burgberg, wo die Reste eines antiken Tempels stehen, umgeben von Befestigungen aus den Zeiten der Kreuzritter.

Ein geradezu klassisches Bild: Die Säulen des Tempels vor dem tiefblauen Meer.


Lindos liegt am Fusse einer Akropolis

 
                    Mauern aus Zeiten der Kreuzritter                                           Dorischer Tempel zu Ehren der Athene

Auf der Rückfahrt hat meine Vespa einen Plattfuss. Zum Glück gibt es ein Reserverad, und sogar Werkzeug zum Radwechseln ist vorhanden.

So ist das Ganze kein grosses Problem, der Schaden bald behoben, und die Fahrt geht weiter.  (Karte)


Wir haben einen Platten! Aber es gibt ein Reserverad

Sluch und Jean sind zurückgeblieben, und eine urige Kneipe winkt am Wegesrand. Meister und ich "satteln ab", und wir genehmigen uns einen Drink. Merkwürdig, dass Sluch und Jean nicht auftauchen! Also noch einen Drink.

Und nach einer ganzen Weile kommen die Beiden, aber anders als erwartet. Sie sitzen mitsamt Moped auf einem kleinen Lkw, und sehen ziemlich ramponiert aus. Jean ist an der linken Hand verletzt, und Sluch hat wohl den grösseren Teil abbekommen, denn sein ganzer rechter Unterarm ist voller Schürfwunden. Und das Moped hat auch seinen Teil abbekommen, der Lenker ist verbogen.

Die beiden waren in einer abschüssigen Kurve auf dem Schotter ausgerutscht, und auf dem Boden entlanggeschliddert. Jean war auf Sluch noch obendrauf gefallen. Der Lkw nimmt sie mit nach Rhodos Stadt, und Meister und ich fahren mit unserer Vespa zurück.

In einer Klinik bekommen Sluch und Jean ihre Wunden versorgt. Sluchs Arm ist hinterher impressionant rot gefärbt von einem Desinfektionsmittel, und Jean bekommt einen Verband an seiner linken Hand.

 
                                        Rückfahrt nach Marmaris. Meister spendiert eine Runde kaltes Wasser 

Am nächsten Tag geht es mit dem Boot zurück nach Marmaris, wo wir uns bei der Polizei wieder anmelden, und dann diesen reizvollen Ort verlassen, und zwar auf dem gleichen Weg, auf dem wir auch gekommen sind. Nach einem kurzen Halt an den spärlichen Resten von Milet fahren wir nach Efes, um hier noch das weiträumige Gelände des antiken Ephesus zu erkunden.

Auch hier zeigt sich wieder, dass die türkischen Behörden ihre Altertümer weniger pflegen als ihre griechischen Kollegen. Vieles ist von Gras und Unkraut überwuchert, und Ziehenherden hinterlassen ihre Köttel auf gepflasterten Wegen, über die schon der biblische Paulus einst wandelte. Doch auch das ist nicht ohne Reiz, und vor allen Dingen gibt es hier praktisch keine Touristen.  (Karte)

 
                  Auf den Spuren des Paulus in Ephesus                            Reifenpanne in Izmir, Freiwillige legen Hand an

Dann kommen wir nach Izmir. Am Konak-Platz stellen wir das Auto ab, und beginnen einen Rundgang durch die Innenstadt. Als wir zurückkommen, finden wir am Auto einen Plattfuss vor. Also muss ich in dem Gewimmel von Menschen den Reifen wechseln. Ich bin dabei umringt von Neugierigen, und einer ist so freundlich, und zieht die Radmuttern wieder fest.

Nachdem die Karre wieder flott ist, fahren wir auf den Zitadellenhügel südöstlich der Stadt, und von hier bietet sich ein prächtiger Panoramablick auf die Stadt und den Golf von Izmir.  (Karte)

Als Nächstes besuchen wir die Ruinen von Pergamon. Auch hier gilt, was wir schon in Ephesus beobachtet hatten. Viel zu sehen gibt es nicht auf dem Akropolis-Hügel, ausser Grundrissen, Säulenstümpfen, und einem Theater mit prächtiger Fernsicht.   (Karte)

Die wertvollsten Fundstücke, die Friese des Pergamonaltares, sind bekanntlich in Berlin gelandet.


Auf dem Burgberg von Pergamon


          Zu dem Asklepion gehört ein Amphitheater

Das Asklepion, das sich am Fusse des Burgberges erstreckt, gibt optisch etwas mehr her.

Neben einem weiteren Amphitheater gibt es von Säulen umstandene gepflasterte Strassen, und die Reste ehemaliger unterirdischer Gewölbe.

Wir setzen die Reise fort, kommen über Edremit nach Çanakkale, das an der engsten Stelle der Dardanellen liegt.

Hier haben wir wieder den Ehrgeiz, in langer Suche das billigste Hotel am Ort zu finden: Es heisst "Emek Oteli".

(Karte)


Emek Oteli, das billigste "Hotel" am Ort

Unser Hotelzimmer ist ein kahler, schmuddeliger Raum, mit Holzfussboden und Holzdecke. Laken, Decken, Kissen und Matratzen sind völlig verdreckt, so dass wir sie von den Betten räumen. So liegen wir dann in unseren Schlafsäcken auf den blossen Sprungrahmen.

Während ich so auf dem Rücken liege und die Decke betrachte, habe ich den Eindruck, als ob sich dort kleine schwarze Punkte bewegten. Vielleicht sind es ja nur Nägelköpfe, und alles ist nur Einbildung. Die Anderen sind sich auch nicht sicher, ob sich die Punkte nun bewegen oder nicht. Ich habe mal gehört, dass sich die Wanzen von der Decke aus auf ihre Opfer fallen lassen, aber nur bei Dunkelheit. Also lassen wir vorsichtshalber die nackte 40-Watt-Funzel brennen, und versuchen mit mulmigen Gefühlen, etwas Schlaf zu finden.


                Meine Lagerstatt, nicht sehr einladend...

Oh welch eine Nacht! Während ich völlig verkrampft auf der harten Pritsche vor mich hindöse, bricht plötzlich ein infernalisches Getöse über mich herein, und reisst mich jäh aus meinen Träumen.

Es ist gegen 6 Uhr morgens, und der Lärm dringt aus dem Lautsprecher der Moschee direkt gegenüber von unserem offenen Fenster: Der Muezzin ruft zum Gebet, was die Nachtruhe empfindlich stört.

Wir dösen noch etwas weiter, rappeln uns dann hoch, und stellen mit Erstaunen fest, dass wir auch in dieser Nacht wundersamerweise vor Floh- und Wanzenbissen verschont geblieben sind.   (Karte)